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  „Die Lehrhausbewegung“ – Bericht von der Jahrestagung der Konferenz 
  landeskirchlicher Arbeitskreise Christen und Juden (KLAK) vom 18. bis 
  22.1.2013 in Berlin
  von Dr. Michael Volkmann
  aus: Ölbaum Nr. 66, Januar 2013
  Dreißig Delegierte aus fünfzehn Landeskirchen nahmen an der 
  Jahrestagung 2013 der Konferenz landeskirchlicher Arbeitskreise 
  ‚Christen und Juden‘ (KLAK) in Berlin-Schwanenwerder teil, tauschten 
  sich über aktuelle Entwicklungen im christlich-jüdischen Dialog und in 
  Nahost aus und bildeten sich theologisch und praktisch zum Thema „Die 
  Lehrhausbewegung“ weiter. Seit einigen Jahren fasse ich die 
  theologischen Hauptvorträge dieser Tagungen jeweils im „Ölbaum online“ 
  zusammen. In diesem Jahr haben sie einen unmittelbaren Bezug zu 
  meiner wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema Lehrhaus und 
  zu meiner praktischen Arbeit im Stuttgarter Lehrhaus. Ich wünsche Ihnen 
  eine anregende Lektüre.
  Insgesamt fünf Programmpunkte widmeten sich dem theologischen 
  Themenschwerpunkt der Tagung:
  a. Einführender Vortrag von mir über die historischen und theologischen 
  Grundlagen der Lehrhausbewegung,
  b. Vortrag von Lara Dämmig, Berlin, über Bet Debora (Lehrhaus der 
  Debora), Frauenperspektiven im Judentum.
  c. Lernen aus dem Wochenabschnitt „Beschalach“ nach Art des 
  Lehrhauses mit Rabbiner Tovia Ben-Chorin.
  d. Eine Exkursion zum interreligiösen Bet- und Lehrhausprojekt der 
  Gemeinde St. Petri / St. Marien Berlin,
  e. Vortrag und Workshop von Klara Butting, Uelzen, über Glauben lernen 
  im Lehrhaus des Moses.
  Im Folgenden fasse ich diese Punkte jeweils zusammen
   
  Vortrag von mir über die historischen und theologischen Grundlagen der 
  Lehrhausbewegung
  Mein aktueller Ausgangspunkt ist das Stuttgarter Lehrhaus, Stiftung für 
  interreligiösen Dialog, das im Februar 2010 eröffnet wurde und in dem 
  fünf selbstständige Einrichtungen zusammenarbeiten (www.stuttgarter-
  lehrhaus.de). Der Begriff „Lehrhaus“ stammt vom traditionellen jüdischen 
  „Beit Hamidrasch“. Es wird erstmals im 2. Jahrhundert v. Chr. in Jesus 
  Sirach 51,23 erwähnt. Es hängt eng zusammen mit der Synagoge 
  („Versammlung“). Schon im antiken Judentum war Tora-Lernen von 
  größter Bedeutung. Wer von der Synagoge ins Lehrhaus gehe, so die 
  Weisen, gehe (mit Psalm 84,8) „von der einen Kraft zur anderen Kraft“. 
  Mit dem „Freien Jüdischen Lehrhaus“ in Frankfurt am Main erneuerte 
  Franz Rosenzweig 1920 das jüdische Lernen Erwachsener. Das „Jüdische“ 
  im modernen Lehrhaus war die alle Themen durchdringende „zentripetale 
  Kraft“ (so Ernst Simon). Das Jüdische Lehrhaus Stuttgart (1926-1938) 
  kam dem Frankfurter Original am nächsten. Einzigartig sind die 
  interreligiösen Lehrhausdialoge, die Martin Buber zwischen 1928 und 
  1933 in Stuttgart mit christlichen Gesprächspartnern gehalten hat. 
  Rosenzweigs Lehrhaus wurde zum Modell jüdischer Erwachsenenbildung 
  im westlichen Diasporajudentum und Ort geistigen Widerstands gegen 
  Demütigung und Entrechtung in der NS-Zeit. Die Lehrhausidee wurde in 
  den vergangenen fünf Jahrzehnten vom Jüdischen über das Jüdisch-
  christliche (besonders in den Niederlanden) zum Interreligiösen Lehrhaus 
  (in Zürich, Stuttgart und bald auch Berlin) fortentwickelt. Das Stuttgarter 
  Lehrhaus sieht sich in der Kontinuität zum Jüdischen Lehrhaus, es sind 
  Juden beteiligt und es wird Tora gelernt. Es pflegt darüber hinaus den 
  interreligiösen Dialog von Christen, Juden und Muslimen. Die dialogische 
  Praxis des Lehrhauses wird begleitet durch die Reflexion verschiedener 
  Theorien des interreligiösen Dialogs („Trialog“, „Abrahamische Ökumene“, 
  „Theologie der Religionen“, …). Das Lehrhaus legt sich nicht auf eine 
  dieser Theorien fest. Stuttgart hat fast 600.000 Einwohner aus 175 
  Ländern. Das Lehrhaus arbeitet in einem multikulturellen Umfeld und 
  „sucht der Stadt Bestes“ (Jeremia 29,7). Es hilft, das „Leben mit großen 
  Texten“ wie der Tora einzuüben. Der Toralernkreis findet wöchentlich 
  statt. Seine christlichen Teilnehmer/innen studieren nach jüdischen 
  Auslegungen den Wochenabschnitt, der am nachfolgenden Sabbat in der 
  Synagoge zur Lesung kommt. Wir hoffen, durch das Stuttgarter Lehrhaus 
  das Interesse an den eigenen Wurzeln (Identitätslernen) und am 
  Gespräch mit Menschen anderer Religionen zu wecken und einen Beitrag 
  zum friedlichen Zusammenleben in der Großstadt zu leisten.
   
  Lara Dämmig, Berlin, über Bet Debora (Lehrhaus der Debora), 
  Frauenperspektiven im Judentum
  Die Öffnung des Ostblocks und die Zuwanderung von Juden aus der GUS 
  gaben der stagnierenden jüdischen Gemeinschaft in Deutschland ab 1990 
  neue Impulse, die auch von Frauen gesetzt bzw. aufgenommen wurden. 
  Bet Debora wurde 1998 „am Küchentisch“, wie Lara Dämmig sagt, 
  gegründet. Aus einer ersten Frauentagung, der weitere folgten, ist ein 
  europäisches Netzwerk jüdischer Frauen entstanden, das Frauen vor 
  allem zum Selbststudium, zu eigenen Gottesdiensten und zur 
  gleichberechtigten Mitwirkung an der Neugestaltung jüdischen Lebens in 
  Europa ermutigt. Bet Debora knüpft an durch die Schoa zerstörte liberale 
  Vorkriegstraditionen an, besonders an den 1904 von Berta Pappenheim 
  begründeten Jüdischen Frauenbund und an die durch Rabbiner Leo Baeck 
  1936 ordinierten Rabbinerin Regina Jonas.
  Themen der Bet Debora Tagungen (www.bet-debora.net):
  1999 Gleichberechtigung im religiösen Leben (Berlin)
  2001 Die Familie, Mythos und Realität (Berlin?)
  2003 Macht und Verantwortung aus jüdischen Frauenperspektiven 
  (Berlin)
  2006 Diversitäten (Budapest)
  2009 Migration, Kommunikation und Heimat (Sofia)
  2013 Tikkun Olam – Heiligung der Welt (Wien)
  Nachdem Bet Debora anfangs wenig beachtet und geschätzt wurde, hat 
  das Netzwerk immer mehr Anerkennung gefunden. Hier ein Text von Lara 
  Dämmig von zwei Druckseiten Länge über das Frauennetzwerk Bet 
  Debora:
  www.fit-for-gender.org/downloads/Daemmig_final.pdf
   
  Lernen wie im Lehrhaus aus dem Wochenabschnitt Beschalach mit 
  Rabbiner Tovia Ben-Chorin
  Rabbiner Ben-Chorin stellte seiner Einführung in die praktische 
  Lehrhausarbeit ein Motto aus dem Jüdischen Gebetbuch voran: „Erbarme 
  dich unser und gib unserem Herzen die Fähigkeit, zu erfassen, zu 
  begreifen, zu hören, zu lernen und zu lehren, zu hüten, zu tun und zu 
  vollbringen all die Worte, die Deine Tora mit Liebe lehrt“. Mit Liebe, so 
  der Referent, kann man alles halten. Liebe wird im Judentum auch mit 
  dem religiösen Lernen verbunden. Dieses ist also gewollt subjektiv. Bet- 
  und Lehrhaus sind eng aufeinander bezogen. Durch Lernen kommt ein 
  Jude zum Schöpfer.
  Rabbiner Ben-Chorin wurde von zwei Studenten des Abraham-Geiger-
  Kollegs, Dr. Ulrike Offenberg und Lior Bar-Am begleitet. Sie leiteten drei 
  Gruppen an, aus dem Wochenabschnitt Beschalach das Schilfmeerlied (2. 
  Mose 15) und den vorausgehenden Bericht vom Durchzug durchs 
  Schilfmeer (2. Mose 13-14) miteinander zu vergleichen. Ein Teil des 
  Lernens wurde „Be-Chavruta“, im Zweiergespräch, durchgeführt. Dafür 
  hatten die Anleiter Fragen zum Bibeltext vorbereitet. Die Ergebnisse 
  wurden in der Kleingruppe besprochen und zusammengefasst an das 
  Plenum zurückgemeldet.
   
  Eine Exkursion zum interreligiösen Bet- und Lehrhausprojekt Petriplatz 
  Berlin
  Am Petriplatz am Anfang der Leipziger Straße, im Herzen der 
  mittelalterlichen Doppelstadt Berlin-Cölln, soll ein Bet- und Lehrhaus der 
  drei Religionen Judentum, Christentum und Islam entstehen. Die KLAK-
  Delegierten besuchten die Ausstellung der Architektenentwürfe in der 
  Parochialkirche und sprachen mit dem Theologischen Referenten der St. 
  Petri-Gemeinde, Roland Stolte. Im Mittelalter stand am Petriplatz eine 
  Lateinschule, im 20. Jahrhundert die Petrikirche, die 1964 gesprengt 
  wurde. Das Bet- und Lehrhaus ist eine Idee, den „leeren“ Platz für die 
  Stadt Berlin zurückzugewinnen. „Öffentlich und für jeden frei zugänglich 
  (sollen dort) Juden, Christen und Muslime ihre Gottesdienste feiern und 
  unter Einbeziehung der mehrheitlich säkularen Stadtgesellschaft einander 
  kennenlernen, den Dialog und Diskurs miteinander suchen: ein Haus des 
  Gebets und zugleich ein Haus der interdisziplinären Lehre über die 
  Religionen, ihre Geschichte und ihre gegenwärtige Rolle in Berlin und im 
  Land“ (aus dem Informationsblatt vom Dezember 2012). Unterschiede 
  sollen ausgehalten werden, so erhält neben einem gemeinsamen 
  Zentralraum jede Religion ihren Raum im Haus. Ein solches Haus gibt es 
  bislang nirgends in der Welt. Partner sind die Jüdische Gemeinde Berlin, 
  das Abraham-Geiger-Kolleg Potsdam, das Forum für Interkulturellen 
  Dialog e. V. und die Evangelische Kirchengemeinde St. Petri-St. Marien. 
  Die Partner und das Land Berlin gründeten im Oktober 2011 den Verein 
  „Bet- und Lehrhaus Petriplatz Berlin e. V.“ (www.bet-lehrhaus-berlin.de), 
  dessen Satzung in Verbindung mit einer Charta die Konzeption des 
  Projekts verbindlich festschreiben. Am 6. September 2012 wurde aus 
  rund 40 Entwürfen (von ursprünglich 200 Bewerbungen aus aller Welt) 
  der Wettbewerbsentwurf des Berliner Architekturbüros Kuehn Malvezzi 
  ausgewählt, der zurzeit zu einem Vorentwurf umgearbeitet wird. Das 
  Projekt hat die KLAK-Delegierten sehr beeindruckt. Ebenso 
  beeindruckend sind einige Zitate des Architekten Wilfried Kuehn aus den 
  Informationsblatt des Fördervereins: „Unser Gebäude arbeitet stark in 
  (der) Spannung zwischen Körperform im Äußeren, die abschottet und 
  schützt, und Raumform im Inneren, die eher weich ist und bergend. Ich 
  glaube, dass jede Religion diesen Schutz braucht, um sich entfalten zu 
  können. … Das Bet- und Lehrhaus ist eine Folge von Orten. Sie liegen im 
  Stadtraum und im Innenraum wie Stationen eines Weges. … Wie soll in 
  drei abgegrenzten Räumen Dialog möglich sein? Im Dazwischen. Unter 
  einem Dach entsteht zwischen den Religionen quasi automatisch etwas 
  Viertes, verbindende Räume, Leerstellen, in denen Austausch stattfinden 
  kann. … Es geht darum, an diesem schnellen Ort eine unsentimentale 
  Langsamkeit zu schaffen. Architektur kann hier wieder zum Werkzeug 
  des Städtebaus werden.“ Wenn das Projekt gelingt, heißt es im 
  Informationsblatt mit Bezug auf Jeremia 29,6, „dann wird Berlin an 
  diesem seinem Urort Zukunft gewinnen und das Gute der Religionen zum 
  Besten der Stadt und des Landes erleben können“.
   
  Vortrag und Workshop von Klara Butting, Uelzen, über Glauben lernen im 
  Lehrhaus des Moses
  Prof. Dr. Klara Butting stellte ihren Vortrag unter zwei Überschriften: 1. 
  Wir lesen immer noch die Bibel, 2. Wir durchdenken die gesamte 
  christliche Tradition neu. Seit dreißig Jahren führt sie Bibeltagungen 
  durch, die sie als Werkstätten einer europäischen Befreiungstheologie 
  ansieht und in denen gelernt werden soll Fragen an den biblischen Text 
  zu stellen: Wie beantwortet der biblische Autor diese Fragen? Aus dieser 
  Arbeit ist der Verein „Erev Rav“ entstanden, dessen Name auf die 
  Weggemeinschaft vieler Nichtjuden mit dem Volk Israel beim Auszug aus 
  Ägypten verweist. Für Erev Rav kommt das gemeinschaftliche Lernen vor 
  der Begegnung zwischen Christen und Juden, um den „Müll des 
  christlichen Antijudaismus‘“ zu verlernen. Zentraler Punkt des Mitgehens 
  mit dem jüdischen Volk ist die biblische Landverheißung, die die 
  Mitgehenden an das Leben auf der Erde und an Gottes Treue zur Erde 
  und zur Menschheit verweist. Der Wunsch, mit der Erde verantwortlich 
  umzugehen, lässt die Mitgehenden die politische Gestalt unseres 
  Glaubens neu entdecken. Das biblische Lernen ist darum mit politischer 
  Bildung und mit Spiritualität verbunden. Klara Butting hat bei Franz 
  Breukelmann in Amsterdam gelernt, dass wissenschaftliche Exegese und 
  Verkündigung zusammengehören. Der Verein Erev Rav betreibt den 
  Lernort Waltersburger Mühle und den Verlag Erev Rav (www.erev-
  rav.de).
  Im Christentum ist es Grundkonsens, so die Referentin, dass es im Alten 
  Testament keine Auferstehung gibt. Zugleich mit dieser Aussage wird 
  Auferstehung als „neues unvergängliches Leben nach dem Tod“ definiert. 
  Im Widerspruch zu dieser Lehre rät die Referentin, auf die Aussagen und 
  Bilder des Alten Testaments zu achten, hier konkret auf die 
  Davidüberlieferung in 2. Samuel 7. David will Gott ein Haus (Tempel) 
  bauen, stattdessen baut Gott David ein „Haus“ (Dynastie) und sagt David 
  ewiges Leben zu (2. Sam. 7,13+16). Davids Name steht für die 
  Wirklichkeit Israels in der Einheit der zwölf Stämme, die nur zur Zeit 
  Sauls, Davids und Salomos besteht. Der David verheißene Nachkomme, 
  der Messias, eint Volk und Reich Israel erneut. So zeitigt Davids 
  Einheitsstreben Früchte, solange die Erde steht. Mit ihrer Auslegung des 
  90. Psalms, des einzigen Mose zugeschriebenen Psalms, macht die 
  Referentin Auferstehung als Befreiungserfahrung deutlich. Einerseits 
  akzeptiert der Psalm die Vergänglichkeit als Conditio Humana, 
  andererseits bittet er Gott darum, dass die Tage des Menschen nicht 
  vergeblich gewesen sein sollen und dass Gott dem Tun unserer Hände, 
  nicht dem Scheitern, Bestand geben möge. Vom Alten Testament kann 
  man lernen, von der Auferstehung so zu erzählen, dass Gottes 
  Verheißung für die Erde sich bestätigt.
  Im Workshop zeigte Klara Butting an den Psalmen 3 und 4 die 
  überragende Bedeutung Davids im Psalter.
  Die Tradition des Lehrhauses und ihre aktuellen Ausgestaltungen, 
  insbesondere die fragende Rückkehr zum biblischen Text, bringen 
  Menschen zusammen in einem Identität, Orientierung und Gemeinschaft 
  fördernden Lernen.
   
  Arbeitshilfe der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste für den 
  Gottesdienst am 27. Januar 2013
  Die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste gibt jährlich eine Arbeitshilfe 
  zur Gestaltung des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 
  27. Januar heraus.
  Hier findet man die aktuelle Arbeitshilfe als Download und Hinweise auf 
  Arbeitshilfen früherer Jahre: https://www.asf-
  ev.de/de/kirchengemeinden/materialien-fuer-kirchengemeinden/27-
  januar.html
  
  
 
 
 
 
  Bericht Delegiertenversammlung 2013