Bericht Delegiertenversammlung 2005
 
 
 
  "Zwischen Einheit und Vielfalt: jüdisches Leben in Deutschland"
  Thema der diesjährigen Delegiertenkonferenz in Berlin (17.-21. Juni) 
  war:
  "Zwischen Einheit und Vielfalt: jüdisches Leben in Deutschland". Prof. 
  Dr. Peter von der Osten-Sacken, Leiter der Instituts Kirche und 
  Judentum Berlin und in diesem Jahr Träger der Buber-Rosenzweig-
  Medaille, stellte im Eröffnungsvortrag unter der programmatischen 
  Frage "An einer Grenze?" Überlegungen zur Zukunft des christlich-
  jüdischen Verhältnisses an. Das wichtigste Ereignis, so sagte er, war die 
  Wiederentdeckung von Römer 9-11.
  Durch sie wisse die Christenheit, dass die ihr von Christus geschenkte 
  Schrift (Tora, Propheten, Schriften), die Erwählung und die 
  Verheißungen Israel gehören und bei Israel bleiben. Die Kirche hat 
  Israel nicht abgelöst, sondern beide existieren als Partner in 
  Gleichzeitigkeit. Der Referent beklagte, dass es in den Universitäten 
  und Kirchen inzwischen eine Gegenbewegung gegen den christlich-
  jüdischen Dialog gebe. Dem Verdrängen der schuldhaften 
  Vergangenheit werde mit Verständnis begegnet. Das studentische 
  Wissen vom Judentum sei hart am theologischen Analphabetismus. 
  Besonders die Intifada habe die christlich-jüdischen Beziehungen 
  abkühlen lassen. Für die Zukunft dieser Beziehungen sei es besonders 
  wichtig, dass das Judentum in Deutschland wieder eine Zukunft hat. 
  Grundlage dieser Beziehungen sei die Teilhaberschaft an der selben 
  Bibel. Darum gehöre die Frage nach dem Umgang mit dem "Alten 
  Testament" und seiner doppelten (jüdischen und christlichen) 
  Wirkungsgeschichte zum Zentrum des Aufgabenkreises im Gespräch 
  zwischen Christen und Juden.
  Besonderes Gewicht haben praktische Projekte: möglichst viele 
  Kontakte im Alltagsleben, in sozialen Aktionen, bei Sport und Spiel; 
  intensivere Begegnungen etwa im Sinne des von Bundestagspräsident 
  Wolfgang Thierse initiierten deutsch-israelischen Jugendwerks; 
  Wanderausstellungen wie die von den Vereinen "Begegnung von 
  Christen und Juden" in Niedersachsen und Bayern entwickelten, die am 
  Zusammenleben von Christen und Juden vor der Zerstörung zeigen: sie 
  sind ein Teil von uns.
  Prof. Dr. Stefan Schreiner, Theologe, Religionswissenschaftler und 
  Judaist aus Tübingen, wo vor kurzem ein Hauptfachstudiengang für 
  Judaistik eröffnet wurde, bestätigte durch seine Ausführungen Osten-
  Sackens These von der gezielten Rückkurbelung des christlich-
  jüdischen Dialogs. 95 % der Tübinger Judaistikstudierenden seien 
  Nichttheologen. Für Theologen sei ein judaistisches Zweitstudium mit 
  nur sehr schwer zu überwindenden Hürden verstellt. Theologische 
  Studienordnungen gäben kaum Raum für die Beschäftigung mit dem 
  Judentum, Prüfungsordnungen verlangten keinen Nachweis der 
  Kenntnisse vom Judentum (Ausnahme: die Evangelische Kirche im 
  Rheinland). Auf katholischer Seite sei man bei jüdischen Themen 
  wesentlich kooperationsbereiter als auf evangelischer.
  In Konsequenz aus diesen Ausführungen wird die nächste KLAK-
  Delegiertenkonferenz im Januar 2006 in Berlin sich beschäftigen mit 
  dem Thema "Das christlich-jüdische Gespräch unter die Leute bringen. 
  Praktische Schritte im christlich-jüdischen Verhältnis".
  Jüdisches Leben in Berlin
  Die Delegierten waren auch nach Berlin gekommen, um mehr über das 
  gegenwärtige jüdische Leben in unserem Land und in der Hauptstadt 
  zu erfahren. Günther Bernd Ginzel, Publizist aus Köln, führte zur 
  Einführung zwei seiner Filme über Juden in Berlin vor und stellte sich 
  anschließend der Diskussion. Er sagte, was sich heute im Judentum in 
  Deutschland entwickle, komme ausnahmslos von außen, vor allem aus 
  den USA. Erfolg unter den Einwanderern aus Russland hätten vor allem 
  die reichen, offensiv werbenden Lubawitscher, eine chassidische 
  Gruppe, die ihren verstorbenen Anführer als Messias propagiert - aus 
  jüdischer Sicht eine Häresie. Neue Bewegung ins deutsche Judentum 
  brächten jedoch die Frauen.
  Rabbinerin Gesa S. Ederberg leitet in Berlin das konservative Masorti-
  Lehrhaus (www.masorti.de) und praktiziert als Rabbinerin im 
  oberpfälzischen Weiden. Sie gab uns hoch interessante Einblicke in das 
  jüdische Leben in Berlin und in ihre Arbeit als Rabbinerin.
  Tags darauf beschrieb Jael Botsch-Fitterling, Mitglied im Präsidium der 
  Jüdischen Gemeinde Berlin, die soziale und religiöse Vielfalt in der 
  jüdischen Einheitsgemeinde Berlins (www.jg-berlin.org).
  Sehr informativ war der Gang durchs jüdische Charlottenburg unter 
  Leitung von Iris Weiß, gemütlich der Abschluss im Café Traitler in der 
  Dahlmannstraße.
  Ausgesprochen interessant war unser Besuch im Lehrhaus der Lauder-
  Stiftung bei der Synagoge Rykestraße in Kreuzberg, wo uns der Leiter 
  des straff geführten Instituts, Rabbi Joshua Spinner, über zwei Stunden 
  Rede und Antwort stand (www.rabbinerseminar.de).
  
 