Der neue KLAK-Vorstand Alle drei Jahre wählt die KLAK ihren Vorstand neu. In diesem Jahr waren 17 landeskirchliche Arbeitskreise vertreten und nahmen an der Wahl teil. Dem Vorstand gehören folgende Pfarrerinnen und Pfarrer an: Vorsitzender: Dr. Michael Volkmann, Württemberg; Schriftführerin: Barbara Eberhardt, Bayern; Schatzmeister: Heinz Daume, Kurhessen-Waldeck; weitere Vorstandsmitglieder: Manon Althaus, Berlin-Brandenburg- Schlesische Oberlausitz; Gabriele Zander, Hessen-Nassau, und Martin Pühn, Bremen. Impuls und Diskussion zur Lage in Nahost Vor einem Jahr beschlossen die KLAK-Delegierten nach einer kontroversen Diskussion über das 60. Jubiläum des Staates Israel (siehe Ölbaum online Nr. 29/3., letzter Abschnitt), alljährlich bei der Delegiertenversammlung sich über die aktuelle Lage in Nahost auszutauschen. Wie notwendig dieser Beschluss war, zeigte sich bereits bei seiner erstmaligen Verwirklichung: der Krieg in Gaza war noch im Gang. Darum hatte zunächst jede/r Delegierte Gelegenheit sich zu äußern, bevor Pfarrer Dr. Tobias Kriener, Düsseldorf, sein Impulsreferat „Zur Lage in Nahost“ hielt. Tobias Kriener ist in Beirut geboren und kam mit acht Jahren nach Deutschland. Er lebte über drei Jahre in Israel und gehörte von 1988 bis 2004 dem Deutsch-Israelischen Arbeitskreis für Frieden im Nahen Osten (DIAK) an. Als Mitverfasser des Buches „Kleine Geschichte des Nahostkonflikts“ sagt er heute, er sei des Konflikts überdrüssig und leiste sich den „Luxus der Nichtinvolviertheit“; der Krieg in Gaza habe ihn kalt gelassen. Die Schuldfrage sei uninteressant, wichtig seien diplomatische Initiativen, aber eine Lösung sehe er definitiv nicht. Er wolle in seiner Beschäftigung mit der Lage in Nahost immer wieder neue Differenzierungen entdecken und halte es für gut, wenn man nach der Diskussion ein gutes Stück verwirrter nach Hause fahre. Krieners These lautete, das zionistische Projekt war erfolgreich und werde erfolgreich bleiben. Der Zionismus sei die zeitgemäße Reaktion auf die Not der Juden Europas gewesen, gegeben am falschen Ort: in Nahost, wo die europäische „Judenfrage“ nicht verstanden und das zionistische Projekt nicht akzeptiert werde. Die zionistische Bewegung habe ihre Position aber immer neu adaptiert und immer auf der „richtigen“ Seite gestanden (Briten, USA), die Araber bzw. Palästinenser hingegen auf der „falschen“ (Nazideutschland, Ostblock, Saddam Husseins Irak und seit dem 11.9.2001 auf der Seite des Terrors). Israel bereite sich jetzt bereits auf die künftig zu erwartende „Mehrpolarität“ zwischen den USA und den aufstrebenden Mächten Indien und China vor, während die Palästinenser auch in dieser Beziehung zurück blieben. Israel siege immer weiter gegen immer schwächer werdende Gegner, jedoch ohne seine Träume zu gewinnen. Vielmehr seien weitere Waffengänge zu erwarten. Israel werde aber auch in Zukunft seine Politik erfolgreich anpassen. Der Vortrag regte eine differenzierte Diskussion an. Obwohl in der KLAK unterschiedliche Positionen vertreten sind, war der Abend nicht von Kontroversen, sondern vom gemeinsamen Wunsch nach mehr Verständnis geprägt. Zum Tagungsthema „Der Gebrauch heiliger Schriften im Gottesdienst ...“ Seit drei Jahren drehen sich die Themen der KLAK-Tagungen um den Gottesdienst. Ein von den Delegierten vor zwei Jahren eingesetzter Ausschuss erarbeitet einen völlig neuen Entwurf für eine Reform der Ordnung der Predigttexte. Leitend dabei ist die schon öfter (z. B. von Dietrich Bonhoeffer, später von der Evangelischen Kirche im Rheinland u.a.) aufgestellte Forderung nach mehr Predigttexten aus dem Alten Testament, der Hebräischen Bibel. Der Ausschuss legte der Delegiertenversammlung den bislang erarbeiteten Plan zur Kenntnisnahme und eingehenden internen Diskussion vor. Die Delegierten ermutigten ihre Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss sehr, den Entwurf zu vollenden. Der Ausschuss plant, sein Arbeitsergebnis noch in diesem Jahr zu veröffentlichen. In enger Verbindung zu diesem Perikopenprojekt lautete das Tagungsthema 2009: „Der Gebrauch heiliger Schriften im (evangelischen, katholischen, jüdischen) Gottesdienst und das ihm zugrunde liegende Schriftverständnis“. Den evangelischen Vortrag hielt Dr. Alexander Deeg, Universität Erlangen; den katholischen Beitrag gab Prof. Dr. Heinz-Günther Schöttler, Universität Regensburg; und das Referat aus jüdischer Sicht trug Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama von der Synagoge Hüttenweg in Berlin bei. Dr. Alexander Deeg setzte mit Martin Luthers relationalem Verständnis heiliger Schriften ein: ihre Heiligkeit sei keine substanzielle Eigenschaft, sondern hänge damit zusammen, wie man mit ihnen umgehe. Im Gottesdienst dürfe man sie nicht bloß lesen, man müsse sie auch predigen. Das Evangelium sei nicht „Schrift“, sondern „Wort“, das „im Schwange“ gehe, indem man es auslege. Deeg problematisierte im heutigen Protestantismus eine Homiletisierung und eine Horizontalisierung des Evangeliums. Mit Homiletisierung bezeichnete er einen Umgang mit dem biblischen Text, der von rationaler Argumentation und diskursiver Begründung geleitet ist. Der Gottesdienst werde Deutungshilfe, Sinngebung zum Leben, Religion werde entritualisiert, die Bibel ein Mittel zur Selbstdeutung des Menschen. Während Luther davon ausgegangen sei, dass im Gottesdienst Gott selbst zu uns Menschen durch sein Wort rede (Vertikale Gott-Mensch), werde im heutigen evangelischen Gottesdienst das Evangelium unter den Feiernden kommuniziert und somit horizontalisiert. Deeg wandte sich einerseits gegen das zu esoterische und transrationale Gottesdienstverständnis etwa von Manfred Josuttis - Gottesdienst sei „Grenzverkehr mit dem Heiligen“ - und fragt: Warum nicht mit Luther schlicht „Reden mit Gott“? Hier drohe die Fetischisierung der heiligen Schrift. Andererseits wandte er sich gegen die radikale Homiletisierung, die etwa Theophil Müller (Bern) vertrete, der so sehr die Verständlichkeit eines Textes zum Wesentlichen mache, dass alles Fremde am Bibeltext wegfalle. Deeg verglich in Filmausschnitten Lesungen katholischer, orthodoxer und evangelischer Christen sowie von Juden und stellte vier in der gegenwärtigen homiletischen Literatur diskutierte Wege zur Inszenierung der Lesung vor: einen asketischen, einen intertextuellen, einen kreativen und einen rituellen. Deeg selbst versteht die heilige Schrift als Basis des Gottesdienstes: „Gottesdienst feiern heißt: einwandern in die Worte, Bilder und Geschichten der Bibel“. Gottesdienst sei Gott-Mensch-licher Wortwechsel, im Abendmahl bewohnten wir intensiv die heilige Schrift und würden in den Worten der Bibel heimisch werden. Ganz anders ging Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama das Thema an. Er erzählte von den gottesdienstlichen Problemen seiner liberalen Gemeinde. Die Menschen kämen eher zum Sabbatempfangsgottesdienst am Freitag Abend als zum Samstagfrühgottesdienst mit Toralesung. Viele empfänden eine aus bis zu sieben biblischen Kapiteln bestehende Parascha (Lesung) als zu lang und suchten nach Möglichkeiten, die Texte zu kürzen und besser zu verstehen. Der Referent gab einen Überblick über die zur Lesung kommenden Texte und beschrieb den extrem inszenierten Umgang mit ihnen. Als besonders wichtig bezeichnete er die vielfältigen Möglichkeiten der Gemeinde zu partizipieren. So schaffe der Rabbiner einen „persönlichen Anker“ der Einzelnen in der Tora. Nachama erklärte die vier traditionellen Auslegungsmethoden (Pschat, Remes, Drasch und Sod) und erzählte, wie er es mit Lesung und Predigt über den gelesenen Text halte. Der Sinn der Toralesung, so Nachama, sei, dass sie Weisung zum Leben gebe. Entscheidend sei daher der Zusammenhang von Lesen, Hören und Verstehen. In der Diskussion erläuterte Nachama Unterschiede liturgischer Traditionen zwischen den verschiedenen Richtungen im Judentum und verwies uns Christen besonders auf das erstaunliche Geschehen, dass mit der teilweise messianischen Chabad-Lubawitsch-Bewegung aus der jüdischen Gemeinde heraus eine neue Religion entstehe. Prof. Dr. Heinz-Günther Schöttler sorgte mit seinem Vortrag am letzten Abend für einen temperamentvollen und inhaltlich gewichtigen Schlusspunkt der Tagung. Zuerst erklärte er uns die römisch-katholische Leseordnung, die seit dem Vaticanum II gelte. Es gebe drei Lesejahre, eines mit Texten des Alten Testaments für jeden Sonntag, eines mit Bahnlesungen der Evangelien, und dazwischen ein Jahr mit Bahnlesungen aus dem Corpus Paulinum. Die Texte seien zerstückelt und neu zusammengesetzt (die AT- Lesungen sind im Durchschnitt fünfeinhalb Verse lang). Oft würde eine der drei pro Gottesdienst vorgesehenen Lesungen wegfallen, meist der Paulustext. „Wir stellen uns die Bibel zusammen, die wir haben wollen und die uns mundet,“ sagte der Referent kritisch. Drei hermeneutische Modelle stünden hinter diesem Umgang mit der Schrift: das simpel verstandene Schema von Verheißung und Erfüllung, ein christologisch-typologisches Verstehensmodell und das assoziative Stichwortprinzip. Sodann berichtete Schöttler von Ideen, die es unter katholischen Liturgiewissenschaftlern für eine Revision, Modifizierung oder wenigstens Optimierung der Leseordnung gibt. Schließlich stellte er uns seinen eigenen Vorschlag für eine Reform der römisch-katholischen Leseordnung vor, fügte aber hinzu, dass er keine Chance auf Realisierung seines Vorschlags sehe. Der Vorschlag ist bestechend gut durchdacht. Sein Grundanliegen ist eine weitest mögliche Beibehaltung der Kanongestalt der biblischen Bücher. Es soll vier Lesejahre geben, in jedem soll ein Evangelium in Bahnlesungen vorgetragen werden. Den Evangelienlesungen sollen Toralesungen zugeordnet sein, und zwar so, dass in jedem Jahr andere Texte aus allen fünf Büchern der Tora gelesen würden. Wichtig sei vor allem, das Ende der Tora in jedem Jahr wieder mit dem Anfang zu verbinden, denn nach diesem Prinzip seien auch die Evangelien verfasst. Die Fortsetzung von 5. Mose 34 sei nicht Josua, sondern 1. Mose 1. Analog sei die Fortsetzung des Lukasevangeliums nicht die Apostelgeschichte, sondern sein eigener Anfang – und so sei das bei allen Evangelien. Propheten- bzw. Paulustexte ordnet er der Tora bzw. den Evangelien nach. Die geprägten Zeiten (Advent/Weihnachten und Passion/Ostern) unterbrächen diese Ordnung, ihre Texte würden nicht nach dem Schema von Verheißung und Erfüllung, sondern von Verheißung und Bestätigung (Römer 15,8: Christus hat die Verheißungen bestätigt) ausgewählt. In der Diskussion dieses Entwurfs wurde klar, dass eine auf Bahnlesungen basierende, am Festhalten der Kanongestalt der Texte orientierte Ordnung nicht vereinbar ist mit dem Ordnungsprinzip, das in der Evangelischen Kirche vorherrscht, nämlich einem thematisch gegliederten Kirchenjahr, in dem jeder Sonntag sein besonderes Thema hat, das in Wochenspruch, Wochenlied, Wochenpsalm und in der auf ein Thema bezogenen Zusammenstellung der Predigttexte aus Altem Testament, Evangelien und Episteln zum Ausdruck gebracht wird. Besuch bei der Jüdischen Gemeinde Berlins Für eineinhalb Stunden waren die Delegierten zu Besuch im Centrum Judaicum in der Oranienburger Straße, um mit der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Berlins, Lala Süßkind, und Rabbiner Walter Rothschild zu sprechen. Im Gespräch ging es im Wesentlichen um drei Themenbereiche: um die jüdische Gemeinde, ihre interreligiösen Beziehungen und um ihre aktuelle Situation. Da ich das Gespräch moderierte und nichts schriftlich aufzeichnete, hier nur eine kurze Zusammenfassung. Zum dritten Punkt: Unsere Gesprächspartner zeigten sich schockiert über den Antisemitismus und die Gewaltbereitschaft bei antiisraelischen Demonstrationen in Berlin, Deutschland und ganz Europa anlässlich des Gaza-Krieges. Bei vielen dieser Demonstrationen gehe es nicht nur gegen Israel, sondern unterschiedslos gegen alle Juden. Zum zweiten Punkt: Das Verhältnis zur katholischen Kirche wird auf offizieller Ebene nach wie vor durch den Streit um die Karfreitagsliturgie belastet. Im Alltag gibt es gute christlich-jüdische Beziehungen, viele Angebote des Centrums werden von Nichtjuden in Anspruch genommen. Zum ersten Punkt, der die meiste Gesprächszeit einnahm: Die Jüdische Gemeinde Berlins ist die größte in Deutschland und wie die meisten eine Einheitsgemeinde. Anders als bei den anderen orthodoxen Einheitsgemeinden in Deutschland gibt es in der Berliner Einheitsgemeinde mehrere gleichberechtigte religiöse Richtungen. Sechs Synagogen mit rund 12.000 Mitgliedern gehören zur Gemeinde: Pestalozzistraße, Rykestraße, Fraenkelufer, Herbartstraße, Joachimstaler Straße und Oranienburger Straße. Vier jüdische Gemeinschaften gehören nicht zur Einheitsgemeinde: Chabad-Lubawitsch, Adass Jisrael, die Lauder-Stiftung und die Synagoge Hüttenweg. Entsprechend dieser Vielfalt gibt es auch reichlich Spannungen unter den rund 16.000 (manche sagen: 25.000) Berliner Juden, aber diese sind – positiv betrachtet – auch Zeichen einer großen Lebendigkeit. Der Link zur Jüdischen Gemeinde Berlin: http://www.jg-berlin.org/. Wikipedia-Infos: http://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCdisches_Leben_in_Berlin. Und die Berlin-Kontaktseite von haGalil: http://www.berlin- judentum.de/adressen/index.htm. Michael Volkmann in Ölbaum Nr. 37/2009
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Bericht Delegiertenversammlung 2009